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Wozu Kirche?

In Ihrem dreizehnten Kirchenkram-Video auf YouTube stellt Martina Kreidler-Kos die Frage „Wozu Kirche?“ und gibt in Ihrer ermutigenden Art nicht nur eine Antwort auf diese Frage. Lesen Sie im Folgenden, was sie dazu sagt. Den Link zu dem Video finden Sie am Ende dieses Artikels.

Wozu Kirche?


Das ist die wilde 13. Folge von Kirchenkram – und ich stelle die Frage aller Fragen: Wozu Kirche? Kurz und knapp: Wozu Kirche? Also mir fällt eine ganze Menge dazu ein. Was? Erfahrt ihr in diesem Video.
Beide großen Kirchen haben vor kurzem eine Untersuchung veröffentlicht, warum es sie in unserem Land noch braucht. Und ob überhaupt. Wer will eigentlich dabei sein und warum – oder warum auch nicht. Spannende Sache diese sogenannte Kirchen-Mitgliedschafts-Untersuchung. KMU. Über 5000 Befragte, fast 600 Fragen. Zwei Ergebnisse, die mir sofort ins Auge gefallen sind. Erstens: 96 Prozent aller Katholik*innen erwarten Veränderungen in ihrer Kirche. Also - eigentlich alle. Das nenn ich mal Rückenwind für die, die sich dafür einsetzen! Zweitens: Auch Menschen, die nicht religiös sind, sagen, die Kirchen haben eine wichtige Funktion für unsere Gesellschaft. Weil sie sich sozial engagieren und für Gerechtigkeit einsetzen. Großartig!
Denn, wenn ich es recht weiß, dann hat das sogar Jesus schon so gesehen. Institution für Religion ist schon okay, aber, zuallererst geht es um etwas anderes: Das erzählt er in seinem Gleichnis vom barmherzigen Samariter, wahrscheinlich seinem populärsten. Ihr erinnert euch: Hinsehen, nicht vorbeigehen an der Not anderer Menschen, zupacken, Situation ändern. Die Programmatik ist klar – und mein Lieblingsheiliger Franz von Assisi hat die mal so formuliert: „Verkündet das Evangelium…“, so weit, so wenig überraschend – aber jetzt kommt’s: „…wenn es sein muss, auch mit Worten.“ „Verkündet das Evangelium - wenn es sein muss, auch mit Worten.“ Dann würde ich vorschlagen, machen wir doch das mal zuerst als Kirche: freundlich und friedlich und hilfreich sein in dieser Welt. Reden können wir dann immer noch, wenn– vielleicht, hoffentlich, gelegentlich – jemand neugierig nachfragt.
Womit aber unsere Eingangsfrage noch nicht ganz beantwortet ist. Gut zu anderen, das sind ja andere auch, caritativ tätig, der Humanität verpflichtet. Warum also ausdrücklich als Kirche? Weil die Kirche das nicht aus sonst welchen Gründen tut, sondern weil sie glaubt – im Sinne von vertraut – dass jeder einzelne Mensch gewollt, geliebt, geschaffen ist. Wer sonst, außer der Kirche, trägt diese Idee in die Welt? Dieses „Add on“ – das wir nicht selber machen können – auch nicht müssen -, sondern das uns zugesagt ist. Wenn es die Kirchen nicht mehr gibt, dann fehlt diese Tiefendimension, dieser zuversichtliche, helle Grundton. Du bist da, weil du gewollt bist. Völlig egal, wie du aussiehst, was du kannst, was deine Waage oder dein Kontostand zeigen, ob du erfolgreich bist oder ganz am Boden. Es ist gut, dass du da bist. Gott hat sich mit dir etwas gedacht. Du bist seine gute Idee. Diese Zusage bleibt, auch wenn du mal Mist baust oder nichts mit ihm zu tun haben willst. Sie ist geschenkt und sie bleibt.
Und ich leg noch einen drauf. Wer sonst, wenn nicht die Kirche, hält uns die Perspektive offen, dass wir uns hier nicht einfach zufällig vorfinden und nach einer zufällig bemessenen Spanne einfach wieder verlöschen? Sondern dass es einen – ich sag mal - liebevoll gesteckten größeren Horizont gibt, hinter dem es weitergeht, für jeden und jede von uns? Das klingt jetzt wahrscheinlich einigermaßen spooky, je nachdem wo und in welcher Verfassung ihr das gerade hört. Aber vielleicht in einem ruhigen Moment oder in einem, in dem ihr ihn braucht, kommt euch dieser Gedanke wieder in den Sinn, den die Kirche – Gott sei Dank – hütet: Noch bevor wir zur Welt kommen, sind wir aufgehoben in einem Gedanken Gottes. Während wir auf der Welt sind, begleitet er uns und das mit einem liebevollen Durchhaltevermögen, von dem wir Menschen nur träumen können. Die Bibel nennt das „Treue“. Evry live matters – das ist Gottes Position. Und die Kirchen, wenn sie es gut machen, stehen genau dafür ein – egal in welcher Couleur. Und das nicht nur, solange ein Mensch lebt, sondern eben auch, wenn es ans Sterben geht. Denn auch da bleibt‘s nicht beliebig. Dann nimmt jeder Mensch mit, was er oder sie an Liebe gelebt hat, an Träumen, an guten Gedanken und ja – auch an guten Taten, an Mitgefühl und Zärtlichkeit.
Die katholische Kirche sagt sogar, Menschen nehmen auch das mit, was sie gut konnten, gerne im Blick hatten, was sie ausgezeichnet hat. Nicht umsonst gibt es Heilige als Fürsprecher*innen für alles Mögliche. All das Gute ist aufgehoben in dem, was der biblische Glaube die Neuschöpfung Gottes nennt, besser bekannt unter „Paradies“ oder „himmlischer Herrlichkeit“. Und ehrlich, darauf freue ich mich. Nicht immer und nicht jeden Tag, aber tief in meinem Herzen. Deshalb träume ich mich noch lange nicht weg von hier, dafür lebe ich viel zu gern, aber das alles wirft ein helles Licht auf meine Zeit. Kennt ihr, wenn’s eine große Vorfreude gibt – auf ein Wiedersehen, auf ein Fest, auf einen tollen Urlaub, dann wird auch die Zeit vorher leichter, beschwingter. Ich möchte auf diese Perspektive nicht verzichten. Ich bin froh, dass der Himmel offen ist. Und das mir das immer wieder mal jemand zusagt.
Aber ohne die Kirche, gibt’s niemanden, der das in die Welt trägt. Diese Hoffnung von der Liebe für jetzt – da sind wir wieder beim sozialen Engagement - und für immer, da wären wir beim Himmel. Das fehlt, wenn die Kirchen fehlen. Klar, könnte man sagen, das geht auch ohne Institution. Aber das sehe ich anders: Das geht nur gemeinsam. Und gemeinsam, muss immer irgendwie organisiert werden. Das geht besser, als derzeit gar keine Frage. Aber das bedeutet eben nicht, Kirche kann ganz weg. Im Gegenteil. Eigentlich ist sie super kostbar, und wir sollten sie zu einer starken Anwältin der Liebe machen. Und zu einem Zuhause für das Evangelium und alle Menschen, die es hören wollen. Deshalb bleib ich dabei, kritisch, aber zuversichtlich. Und freue mich über alle, die das auch tun. Bleibt behütet – bis zum nächsten Mal.

Dr. Martina Kreidler-Kos studierte katholische Theologie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und erlangte im Jahr 1999 ihren Doktortitel mit einer Arbeit über die heilige Klara von Assisi. Frau Kreidler-Kos ist derzeit Leiterin der Abteilung Seelsorge im Generalvikariat des Bistums Osnabrück und lebt im Osnabrücker Land. Darüber hinaus ist sie aktives Mitglied der Pfarrei in Icker.

Und hier, wie versprochen, der Link zu dem erwähnten YouTube-Video aus der Reihe Kirchenkram:
Kirchenkram Folge 13: Kirche - Wozu?

Weitere Beiträge von Gemeindemitgliedern, auch von Martina Kreidler-Kos finden Sie auch auf dieser Homepage, auf der Seite Digitale Gemeinde unter der Rubrik „Blickwinkel – Beiträge von Gemeindemitgliedern und Anderen“.